In einer meiner XING Gruppen erzählen Menschen gerade, mit welchen 10 Personen - gestorbene oder lebende - sie gerne reden würden. Ich teile hier meine
Antworten.
1. Meine Mutter. Sie ist schon so lange tot, seit 1985, ich war 20, und ich habe noch soviele Fragen an sie. Ich hab über sovieles mit ihr noch
nicht geredet. Ich möchte die Geschichten über ihre Kindheit hören, den Krieg, die glamouröse Wirtschaftswunderzeit und die Ehe, ihr Leben später mit meinem Vater ....... und ich würde endlich
soviel fragen über ihr Seelenleben, wie es ihr ging, was sie dachte, woran sie letztlich zerbrach.
2. Der Vater von ihr, mein Großvater. Ich habe ihn nie kennengelernt und doch verbindet mich durch Mamis Erzählungen und Fotos ein enorm starkes
Herzensband mit ihm. Ich würde ihm so gerne zuhören wollen, wenn er erzählt ....und wenn er singt! Er war Opernsänger in Bayreuth und Berlin.
3. Mein Vater, seit 1994 tot. Vielleicht wäre es nur ein kurzes Gespräch. Ich würde die Chance aber nutzen, weil es mir endlich möglich wäre, ihm
erwachsen und klar zu sagen, was er falsch gemacht, mir angetan hat. Ich möchte ihm dabei in die Augen sehen und ihn dann in den Arm nehmen, weil ich ihn trotzdem sehr liebe.
4. Seine Mutter, meine Großmutter. Ich liebte sie sehr - und war 9 Jahre, als sie starb. Eine ungemein stolze, in sich ruhende und charismatische
Frau, wie aus der ZEit gefallen. Mit langem schwarzen Rock, weißer Spitzenbluse und rosa Wollstola um die Schultern. Die ich immer mit Handküsschen begrüßte und mit der ich als kleines Kind immer
Vögel füttern durfte im Garten. Ich würde sie gerne viel über ihren Sohn, meinen Vater fragen.
5. Stefan Zweig und Thomas Mann: Ihre Literatur begleitet mich mein ganzes Leben lang. Mit dem ersten würd ich über Depressionen und Freitod reden
wollen, mit dem zweiten über seine Familie, sein Leben, ich würde herausfinden wollen, ob es ein sympathischer Mann ist.
6. Rosamunde Pilcher - jahaaa, sehr wohl die! Mit ihr möchte ich lange Spaziergänge durch Englands Natur machen, ihr danken für unbeschwerte,
heimelige Lesestunden und Tee trinken und Scones essen.
7. Roger Cicero - seine Musik fehlt mir. Ich war auf einem seiner allerersten Konzerte, hier in München, in kleinem Club mit ca 100 Menschen. Das
war zugleich meine letzte durchtanzte, schweißgebadete Konzertnacht, soooo viele Jahre her. Und seine Lieder begleiten mich seitdem.
8. Roger Willemsen - auch er fehlt. Jeden Tag. Immer wieder, wenn ein kluger, pointierter, leiser Kommentar wichtig wäre. Ich konnte ihm
stundenlang zuhören, mich immer wieder aufs Neue in seine Sprache und seine Klugheit, seinen Witz verlieben.
9. Elke Heidenreich, die Grande Dame der Bücher. Ich würde gern mit ihr über ihre Verletzlichkeit, ihre Stille, ihre Tiefen sprechen, sie
kennenlernen und ihr meine große Verehrung aussprechen.
10. Frau Schultes. Meine hochverehrte Deutsch-Leistungskurs-Lehrerin, kurz nach dem Abi gestorben. Eine echte Dame, die uns 9 aus dem LK regelmäßig
zu sich nach Hause einlud, um über Bücher zu sprechen. Von der ich die Liebe zur Literatur und zum Schreiben lernte - und der ich so gerne erzählen möchte, wie es bei mir nach dem Abi 1984
weiterging. Sie fehlt mir.
All die Toten möchte ich fragen, ob sie uns noch begleiten.